Portomarin

Am Abend zuvor verkündete mir Ivan, dass er nicht mehr so viele Kilometer laufen kann. Der steile Weg vorm Vortag hat seinem Knie zu schaffen gemacht. Es war klar, dass unsere Wege sich trennen würden. Mir blieben nicht mehr so viele Tage über, ich musste einige Kilometer jeden Tag schaffen.

Wir starteten also los, so weit es ging zusammen.

In der nächsten Ortschaft, Sarria, gab es auf einmal ganz viele Pilger. In Sarria beginnen häufig die Pilger ihren Weg, welche nur die letzten 100 km nach Santiago laufen wollen. Ich fand es ganz furchtbar. Es war vorbei mit der Ruhe. Überall ganz viele Menschen, die ganz viel redeten. Auf einmal wurde es ganz stark touristisch.

An einer Bar traf ich Dirk wieder. Er wollte nach Portomarin. Mein Ziel war eigentlich ein kleiner Ort knapp 5 km vor Portomarin. Größere Orte mit den vielen Pilgern wollte ich eigentlich meiden. Meinen Rucksack habe ich ebenfalls dorthin schicken lassen. Die letzten Kilometer wollte ich nichts mehr dem Zufall überlassen und keine Blasen riskieren.

An dieser Stelle verabschiedete sich Ivan von mir. Er wollte an dem Tag nicht weiterlaufen. Fabrizzio war einige Kilometer hinter uns und würde ihn bald erreichen. Er wäre dann also nicht allein. Hanna war ebenfalls einige Kilometer dahinter und Charls auch. Ich war somit wieder alleine unterwegs... Schweren Herzens trennte ich mich von Ivan. Wir sind viele Kilometer zusammen gelaufen und zwischen uns hat sich eine innige Freundschaft entwickelt. Es machte mich sehr traurig wieder alleine zu sein und alle hinter mir zu lassen...😭

Ich lief also alleine weiter und erreichte bald den Stein, der mir die letzten 100 km bis Santiago ankündigte.

Ich erreichte meinen Zielort und suchte verzweifelt nach der Herberge. Ich fand sie nicht! Ich fragte in einer Bar an und der Barbesitzer verkündigte mir, dass dir Herberge geschlossen sei. Wo war mein Rucksack?! Er bat mir an beim Transportunternehmen anzurufen, mein Rucksack war in Portomarin. Also noch knapp 5 km weiter. Ich fand das nicht so schlimm. Ich war fit und wollte gerne weiterlaufen. Ich genehmigte mit ein Mittagessen und wollte gestärkt die letzten Kilometer hinter mich bringen.

Währenddessen kamen eine ältere Frau mit einem jüngeren Mann hinein. Sie suchten ebenfalls nach der Herberge. Als sie hörten, dass die Herberge geschlossen hat, fing die Frau an zu weinen. Sie war bereits sehr erschöpft. Zu erschöpft um mit dem schweren Rucksack nach Portomarin zu laufen. Der Barbesitzer machte den Vorschlag ein Taxi für sie zu rufen. Sie wollte aber unbedingt laufen. Die beiden kamen ebenfalls aus Deutschland.

Ich verfolgte das Gespräch mit und bat an ihren Rucksack nach Portomarin zu tragen. Sie könnte meinen kleinen Rucksack nehmen. Wie gesagt, ich fühlte mich sehr fit und es war lediglich eine gute Stunde nach Portomarin. Christine (wie ich nun wusste) war völlig überrascht von so viel Hilfsbereitschaft und fing vor Rührung an erneut zu weinen. Sie war mit ihrem Sohn Björn seit Lèon auf dem Jakobsweg unterwegs. Sie stärkte sich ebenfalls und zusammen liefen wir nach Portomarin.  

Ich reservierte uns drei Plätze in einer Herberge, holte meinen Rucksack ab und zusammen haben wir zum Abendessen eine leckere Paella gegessen. 

Als Björn und Christine wieder in die Herberge sind, saß ich noch alleine im Restaurant beim Wein. Dirk lief mir über den Weg und gesellte sich zu mir. Ich erzählte ihm von meinen Tag und wir sprachen darüber, wie schnell sich Freundschaften/ Bekannschaften auf den Camino ergaben und dass die Zeit auf den Camino irgendwie anders verläuft bzw. anders wahrgenommen wird. "Wie im Zeitraffer" meinte er. Darüber hinaus gibt es einen starken Unterschied zwischen den Pilgern, die in St Jean ihren Weg begonnen haben und welchen, die den Weg deutlich später begannen. Die Hilfsbereitschaft bei den ersteren empfand ich als deutlich größer und auch die Freundschaften waren intensiver.

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